Autor: Nils Berg

Erstmals mehr als 10 Milliarden Euro Gesamtbudget des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks

© picture alliance / Peter Kneffel / dpa

Erstmals wird der Gesamtetat von ARD, ZDF und Deutschlandradio über 10 Milliarden Euro betragen. Dies ergibt sich aus den Haushaltsplänen der öffentlich-rechtlichen Sender für 2023, so die Berechnung des Instituts für Medienpolitik (IfM). Die Addition der Zahlen aus den Haushaltsplänen ergibt für das laufende Jahr eine voraussichtliche Ertragssumme von 10,027 Milliarden Euro. Davon entfallen auf die neun ARD-Anstalten 7,250 Milliarden Euro, auf das ZDF 2,501 Milliarden und das Deutschlandradio 276 Millionen Euro. Die Einnahmen stammen aus dem Rundfunkbeitrag (zu rund 85 Prozent), aus Werbung und Sponsoring sowie aus sonstigen Erträgen. Der Rundfunkbeitrag in Deutschland beträgt aktuell 18,36 Euro pro Monat und Haushalt.

Das Gesamtbudget des umsatzstärksten öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems der Welt betrug 1995 noch 5,9 Milliarden Euro; 2017 waren es 8,8 Milliarden. Von 1995 bis 2023 haben sich die Gesamteinnahmen von ARD, ZDF und Deutschlandradio somit um 4,1 Milliarden Euro und damit um rund 70 Prozent erhöht. Der inflationsbedingte Kaufkraftverlust betrug in diesem Zeitraum 38 Prozent.

Zum Vergleich: Der Gesamtumsatz der britischen BBC lag im Jahr 2022 bei 6,25 Milliarden Euro (5,3 Milliarden britische Pfund). Die 1922 zunächst auf private Initiative hin gegründete BBC galt lange Zeit als kulturelles Vorbild auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland, ist in den letzten Jahren aber zunehmend unter den politischen Druck der konservativen Regierungen in Großbritannien geraten. France Télévisions kam 2021 auf etwa 2,8 Milliarden, die italienische Rundfunkanstalt RAI auf 2,5 Milliarden Euro Gesamteinnahmen.

Quelle: mediadb.eu/rankings

IfM organisiert medienpolitische Konferenz zur ÖRR-Reform mit Dr. Carsten Brosda, Dr. Katrin Vernau, Prof. Dr. Detlef Sack u.v.a.

Neustart ÖRR: Wie weiter mit „unseren Medien“? – 27. Februar 2023 in Berlin

Wege aus der Legitimationskrise: IfM, Unsere Medien und Schöpflin Stiftung organisieren prominent besetzten Fachdialog mit ARD; Medienpolitik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zur Teilhabe an den öffentlich-rechtlichen Medien.

Der Fall Schlesinger hat nicht nur den rbb, sondern mit ihr die ARD und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt in die wohl größte Krise seines Bestehens gestürzt. Schnell wurde klar, dass es um mehr geht als um Compliance, Gremien und Intendantengehälter. Während die journalistische Arbeit von ARD, ZDF und Deutschlandradio nach wie vor hohe Vertrauenswerte genießt, steckt das System dahinter in einer Identitäts- und Akzeptanzkrise.

Von einer „Neubegründung“ öffentlich-rechtlicher Medien unter stärkerer Miteinbeziehung der Gesellschaft ist seither die Rede. Mehr oder minder bedeutungsschwangere Analogien („Verfassungskonvent“, „neuer Gesellschaftsvertrag“, „Runder Tisch“) wurden bemüht, Mitte Januar schließlich die Einberufung eines „Zukunftsrats“ zur Neuausrichtung der Öffentlich-Rechtlichen angekündigt.

  • Was ist seit dem „Skandalsommer“ 2022 passiert?
  • Wie sollen beitragsfinanzierte Medien heute und, eingedenk technologischer und gesellschaftlicher Veränderungen, in den nächsten Jahren aufgestellt, ausgestattet und kontrolliert werden?
  • Und welche Verfahren eignen sich dafür, Nutzer:innen als Auftraggeber öffentlich-rechtlicher Medien wie auch deren Mitarbeiter:innen stärker mit einzubeziehen – in den Reformprozess und den laufenden Betrieb?

Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Fachkonferenz „Neustart ÖRR“ von IfM, Unsere Medien und Schöpflin Stiftung am 27. Februar in Berlin. Im Kreise zentraler Stakeholder aus Medien, Politik und Zivilgesellschaft soll hier über zeitgemäße Modelle zur Organisation von gesellschaftlicher Teilhabe an „unseren” Medien diskutiert werden. Zu diesem Zweck werden u. a. Beteiligungsexpert:innen aus dem In- und Ausland eingeladen, um ihre Einschätzungen und Anregungen zu Fragen rund um Legitimation und Beteiligung öffentlich-rechtlicher Medien zu präsentieren.

Ihre Teilnahme zugesagt haben u.a. Dr. Katrin Vernau (rbb-Intendantin), Dr. Carsten Brosda (Hamburger Senator für Kultur und Medien), Florian Hager (hr-Intendant), Marina Weisband (Demokratie- und Beteiligungsexpertin), Prof. James Fishkin (Stanford University), Prof. Dr. Lee Edwards (LSE), Prof. Dr. Detlef Sack (IDPF, Bergische Universität Wuppertal), Ralf-Uwe Beck (Bundesvorstandssprecher, Mehr Demokratie e.V.), Kemal Görgülü (CTO, Arte), Khola Maryam Hübsch (Journalistin / HR-Rundfunkrat), Laura-Kristine Krause (ZDF-Fernsehrat / Geschäftsführerin, More in Common Deutschland, Dr. Susanne Pfab (ARD-Generalsekretärin), Tabea Rößner (MdB, Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Christiane Schenderlein (Medienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion), Ella Schindler (Co-Vorsitzende, Neue deutsche Medienmacher*innen e.V.)


Im Anschluss der Fachkonferenz findet ein öffentliches Podiumsgespräch unter dem gleichen Titel statt.

Die Veranstaltung wird organisiert von Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) in Kooperation mit Unsere Medien und der Schöpflin Stiftung.

„Wie in Schlumpfhausen“ – Lutz Hachmeister im Handelsblatt-Interview zu den Strukturen des ÖRR

© picture alliance / Peter Kneffel / dpa

In einem Handelsblatt-Interview mit Hans-Jürgen Jakobs äußert sich Lutz Hachmeister, geschäftsführender Gesellschafter des IfMs, über die Strukturen des ÖRR und bietet Lösungsvorschläge für das reformbedürftige System.

Das am 26. November 2022 erschienene Interview kann hier in voller Fassung nachgelesen werden:

Rückblick auf das M100 Sanssouci Colloquium 2022: „Krieg und Frieden – Eine neue Weltordnung“

© 2022 M100

Autor: Nils Berg | 28.11.2022

Auch 2022 war das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) Kooperationspartner des M100 Sanssouci Colloquiums in Potsdam – dieses Jahr mit einem ganz besonderen Anliegen. Seit Monaten sind die Menschen in Europa und darüber hinaus sowohl erschüttert als auch entrüstet über den völkerrechtswidrigen, militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine. Die brutale Invasion verursacht ein unvorstellbares Leid innerhalb der ukrainischen Bevölkerung und markiert mit ihren enormen Folgen für Sicherheit, Demokratie, Gesellschaft und Wirtschaft nicht weniger als eine Epochenwende.

Am 15. September 2022 traten mehr als 60 Vetreter:innen aus Politik, Medien und Wissenschaft unter dem Titel „Krieg und Frieden – Eine neue Weltordnung“ in ein konstruktives, intersektorales Gespräch, um sich über die Perspektiven eines freiheitlichen, demokratischen Europas im Angesicht dieser Epochenwende auszutauschen und darüber zu debattieren, welche Rolle die Medien in diesem Kontext spielen.

Olga Rudenko: „Ich mache keine Vorhersagen über den Krieg, außer einer einzigen: Die Ukraine wird gewinnen“

In ihrer bewegenden und nachhaltig beeindruckenden Eröffnungsrede machte Olga Rudenko, Chefredakteurin der ukrainischen Nachrichtenplattform „The Kyiv Independent“, deutlich, dass ein geschlossenes Auftreten des Westens für die Ukraine die Voraussetzung sei, um einen Sieg der Ukraine schneller eintreten zu lassen und somit viele Menschenleben zu verschonen. Wenn Russland den Westen mit seinen falschen Narrativen und Desinformationskampagnen jedoch breche, würde der Preis für den Sieg unsagbar hoch sein, so Rudenko weiter.

Als weiteres „Food for Thoughts” gewährte Hardy Schilgen, Projektleiter von „eupinions”, einen empirischen Einblick in die europäische öffentliche Meinung in krisengeschüttelten Zeiten. Die zugehörige, repräsentative Studie wurde exklusiv für das M100 Sanssouci Colloquiuum durchgeführt. Zwar zeigt sich den Ergebnissen zufolge eine mehrheitliche Zufriedenheit der EU-Bürger:innen mit dem politischen System der EU, zugleich offenbaren sie jedoch den Wunsch nach einer aktiveren Europäischen Union auf der Weltbühne. Gleichzeitig sind die kurzfristigen Erwartungen der Bürger:innen an die EU, ihr diesbezügliches Potenzial zu erfüllen, eher begrenzt und das Vertrauen in die politischen Akteur:innen bleibt gering.

Eine gemeinsame europäische Digitalstrategie gegen Hass und Desinformation?

Eingeleitet wurde der Konferenzteil der Veranstaltung durch die Präsentation des M100 Young European Journalists Workshop, der in den Tagen vor der Konferenz mit 21 Teilnehmer:innen aus 17 europäischen Ländern zum Thema Desinformation und Fake News in der Friedrich Naumann Stiftung in Berlin stattgefunden hat. Die Teilnahme am M100 Sanssouci Colloquium war für die jungen Journalist:innen der Abschluss der Workshop-Woche.

In den „Strategic Working Groups” gewährten verschiedene hochrangige Expert:innen Einblick in die unterschiedlichen Themenbereiche, die unter den Teilnehmer:innen konstruktiv diskutiert worden sind. So fokussierte sich Huberta von Voss, Geschäftsführerin, ISD Deutschland, auf die europäische digitale strategische Autonomie: „Da wir technologisch immer besser in der Lage sind, Bedrohungen wie die Zunahme von terroristischen und extremistischen Inhalten, Hass und Desinformation auf großen und kleinen Plattformen zu beobachten, fehlt es an unserem Engagement, die Demokratie nachhaltig und mit allen verfügbaren Mitteln zu verteidigen“.

Laut von Voss habe die Verstärkung und gezielte Verbreitung antidemokratischer Inhalte durch die Produkte und Dienste von Social-Media-Unternehmen „ein Ausmaß erreicht, das unsere schlimmsten Erwartungen übersteigt“. Die ISD-Geschäftsführerin nimmt auch die Medienunternehmen in die Pflicht, die es sich „nicht mehr leisten können, auf dekontextualisierte, verschwörerische und sensationslüsterne Inhalte hereinzufallen“.

In einem weiteren Impuls machte Prof. Dr. Paul Timmers, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Oxford, deutlich, wie wichtig es sei, eine digitale strategische Autonomie zu erlangen, um unsere Souveränität schützen, verteidigen und bewahren zu können. Hierbei bezog er sich noch einmal auf Olga Rudenko – ihre Eröffnungsrede habe allen vor Augen geführt, was europäische Souveränität bedeutet, wenn Souveränität, Freiheit und Demokratie bedroht sind, wie dies in der Ukraine der Fall ist, so Timmers.

Auch eine starke Cyberverteidigung und Cyberoffensive seien laut Timmers „essentiell für Krieg und Frieden, wie wir auch in der Ukraine sehen“. Weiter führt er aus: „Aber die Lücken müssen geschlossen werden. Wir sind zu schwach bei der Antizipation von Bedrohungen und Auslösern für Angriffe und haben noch keinen proaktiven Ansatz für die Cybersicherheit“. Außerdem müssten wir „Europa in der Welt in gleichgesinnten Partnerschaften besser positionieren, zum Beispiel bei der Sicherheit der IKT-Lieferkette mit unseren transatlantischen Partnern, aber auch bei globalen Lösungen.“

Timmers schloss mit der Feststellung, dass er nicht glaube, dass digitale strategische Autonomie ein Allheilmittel auf dem internationalen digitalen Konfliktfeld sei. Sie sei eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Souveränität. Vielmehr sei es existentiell, alle Mittel für Demokratie und Freiheit und für Souveränität zu mobilisieren.

Das geopolitische Erwachen Europas

Eine zweite Arbeitsgruppe befasste sich mit der Rolle Europas in einer neuen Weltordnung. Für EU-Diplomatin Dr. Julia De Clerck-Sachsse sei „Europas geopolitisches Erwachen“ eindeutig mit dem russischen Angriffskrieg verbunden. Eine dauerhafte Unterstützung der Ukraine sei für die Stellung Europas in der Welt essenziell – sowohl kurz-, als auch langfristig. Diese Unterstützung würde sich eindeutig bezahlt machen, wie sich zuletzt gezeigt hätte.

Ben Hodges, Generalleutnant a. D. der United States Army und Senior Advisor, „Human Rights First“, USA, gab einen Einblick in die amerikanische Sicht auf Europa und seine Rolle in der Welt. Für ihn sei der Krieg gegen die Ukraine eine Katastrophe für die Russische Föderation und das Putin-Regime. Jedoch wäre ein Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gebe.

Hodges ist der Auffassung, dass die Ukrainer:innen die russischen Streitkräfte noch in diesem Jahr auf die Linie vom 23. Februar 2022 zurückdrängen werden und dass „die Krim wahrscheinlich Mitte nächsten Jahres vollständig befreit sein wird“. Putin sei in die Enge getrieben, weshalb er auch Atomwaffen einsetzen könnte. Jedoch glaubt er nicht, dass der Kreml-Chef von ihnen Gebrauch machen wird, da Atomwaffen am effektivsten seien, wenn man sie nicht einsetze.

Wie reagieren wir auf die Informationskriegsführung?

Meera Selva, „Internews“, verwies in ihrem Impuls zur dritten Arbeitsgruppe darauf, dass Verschwörungstheorien ein weltweites Problem seien. Die Entwicklung verlaufe nicht linear, und sie stehe nicht immer im Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen. Während der Journalismus versuche, über das aktuelle Geschehen zu berichten, könnten Fehlinformationen auch völlig zeitlos sein: „Fehlinformation untergräbt die Gesellschaft“.

Für Selva ist es daher besonders wichtig, Verständnis für die Menschen zu zeigen: „Wir müssen die Gesellschaft verstehen. Wir müssen wissen, wovor die Menschen Angst haben. Wir müssen wissen, was sie brauchen. Wir müssen wissen, was ihnen fehlt. Wir müssen wissen, was sie von den Machthabern denken. Und das kann man nur, wenn man das Volk vertritt“.

Der russische Journalist Roman Badanin verwies hingegen auf die Notwendigkeit von gutem Journalismus: „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir bereits über die stärkste Waffe im Kampf gegen Propaganda- und Desinformationskampagnen verfügen“, begann er seinen Impuls. „Sie besteht in der akribischen Einhaltung hoher journalistischer Qualitätsstandards.“ In Kriegszeiten solle ein Journalist ein doppelter Journalist und sehr gründlich sein – und natürlich auch in Friedenszeiten.

M100 Special Talk „Left Alone?“

Im Anschluss an den Konferenzteil sprach Dr. Wolfgang Ischinger, ehemaliger Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, mit Dr. Vjosa Osmani-Sadriu, Präsidentin der Republik Kosovo, über die europäische Sicherheitsstrategie und die Rolle der osteuropäischen Länder. Die schriftliche Zusammenfassung des M100 Special Talks sowie die Videoaufzeichnung finden Sie hier.

Der M100 Media Award 2022 geht an das ukrainische Volk

Die Verleihung des M100 Media Award an das ukrainische Volk, wurde stellvertretend von Dr. Wladimir Klitschko entgegengenommen. Wladimir Klitschko steht gemeinsam mit seinem Bruder Vitali, Bürgermeister von Kyiv, der 2014 als Vertreter aller demokratischen Bewegungen in der Ukraine mit dem M100 Media Award ausgezeichnet worden ist, an der Seite seines Volkes: „Wir werden uns mit aller Kraft verteidigen und für Freiheit und Demokratie kämpfen“, so Wladimir Klitschko. „Wir werden so lange kämpfen, wie wir leben“.

Die Preisverleihung wurde vorab durch eine Hauptrede von Bundeskanzler Olaf Scholz eingeleitet. Begrüßt wurden die Gäste von Mike Schubert, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam und Vorsitzender des M100 Beirats. Die Laudationes hielten Dr. Amy Gutmann, Botschafterin der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland, und Donald Tusk, Vorsitzender der Bürgerplattform (Civic Platform) und ehemaliger Präsident des Europäischen Rates, Polen. Sie finden alle Reden in schriftlicher Form und als Videos hier.


Das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik ist ein Kooperationspartner des M100 Sanssouci Colloquiums in Potsdam. Ausführliche Informationen zur Veranstaltung finden Sie unter www.m100potsdam.org.