Neues aus dem IfM

M100 Sanssouci Colloquium 2023

70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Europa, den USA und Ländern des Globalen Südens, 20 NachwuchsjournalistInnen aus 14 europäischen Ländern, dazu Observer, berichterstattende JournalistInnen – und am Abend eine ebenso aufrüttelnde wie bewegende Verleihung des M100 Media Award an die Women, Life, Freedom Bewegung im Iran: Das war das 19. M100 Sanssouci Colloquium, das am 14. September in der Orangerie Sanssouci in Potsdam stattgefunden hat.

In mehreren Plenary Roundtable Diskussionen und strategischen Arbeitsgruppen wurde grenzübergreifend über den Zustand der Demokratie, Gründe für die Vertrauenskrise in demokratische Systeme weltweit bei gleichzeitigem Anwachsen autokratischer Regierungen, über die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf Medien und Gesellschaft, Desinformation und Propaganda sowie die EU-Erweiterung diskutiert.

Hier finden Sie eine umfangreiche Zusammenfassung des Tages und des Abends mit Links zur Eröffnungsrede des indischen Bestsellerautors Pankaj Mishra und zahlreiche Interviews mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie hier die Aufzeichnung des Livestreams der Verleihung des M100 Media Awards.

Raus aus der Legitimationskrise. Reformideen für ARD und ZDF

Aus epd medien 20/23 vom 19. Mai 2023

epd Digitalisierung und Medienwandel, aber auch systeminterne Versäumnisse und Skandale wie beim RBB haben zu einer tiefen Legitimationskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland geführt. Die Konferenz „Neustart ÖRR: Wie weiter mit ‚unseren Medien‘?“, die das Kölner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) gemeinsam mit der Schöpflin Stiftung und der Initiative „Unsere Medien“ am 27. Februar in Berlin organisierte, stellte hierzu Lösungswege in den Mittelpunkt. Auf der Basis von Impulsvorträgen, die wir in dieser Ausgabe zusammen mit weiteren Beiträgen dokumentieren, diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeitgemäße Modelle zur Organisation von gesellschaftlicher Beteiligung – mit Blick auf die Reform und den laufenden Betrieb öffentlich-rechtlicher Medien.

Die frühere WDR-Redakteurin Sabine Rollberg präsentiert eine ernüchternde Bestandsaufnahme: Vom Innenleben der öffentlich-rechtlichen Sender zeichnet sie ein verheerendes Bild. Innovation und Kreativität seien nicht mehr gefragt, stattdessen regiere eine kleine Entscheiderhierarchie, die nur auf Quoten fixiert sei und Günstlingswirtschaft betreibe. In diesem Zustand seien die Sender ein „El Dorado für narzisstisch gestörte Personen“. Eine Reform setze zwingend eine Veränderung der Machtstrukturen voraus, argumentiert Rollberg.

Die Strukturbedingungen der Medienordnung – und damit auch die des öffentlich-rechtlichen Systems – seien zu lange weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt worden, bemängelt lfM-Direktor Leonard Novy. Die Journalistin Khola Maryam Hübsch, Mitglied im HR-Rundfunkrat, erwartet von einer Gremienreform deshalb weniger Einflussnahme durch die Politik, eine bessere Durchmischung bei der Zusammensetzung sowie mehr fachliche Beratung. Eine echte Programmkontrolle sei sonst nicht möglich.

Hubert Krech, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse, fordert im Sinne der angestrebten „Good Governance“ der Sender auch die Einbeziehung von Redaktionsvertretungen in den Gremien. Er kritisiert zudem, dass die Medienpolitik die Berufsgruppe der Redakteurinnen und Redakteure bei der Einsetzung des Zukunftsrates für ARD und ZDF nicht berücksichtigte. Der Vorstandssprecher der Initiative Mehr Demokratie, Ralf-Uwe Beck, plädiert für eine Bürgerbeteiligung beim Zukunftsrat. Dieser „Bürgerrat“ könne die Vorschläge des Zukunftsrates diskutieren und anreichern.

Zur Konsultation der Öffentlichkeit abseits der Gremien stehen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verschiedene Methoden aus der Partizipationsforschung zur Verfügung. James Fishkin, Kommunikationswissenschaftler an der Stanford-University, empfiehlt hierfür sogenannte Deliberative Polls, die Befragungsmethoden mit partizipativen Workshopformaten verbinden. Positive erste Erfahrungen mit deliberativen Verfahren aus Großbritannien stellen die Wissenschaftler Lee Edwards und Giles Moss vor. Doch Bürgerbeteiligungsformate bergen auch Fallstricke, wie die Demokratieforscher Detlef Sack und Nora Freier von der Universität Wuppertal analysieren.

Der Medienwissenschaftler Otfried Jarren von der Universität Zürich verweist darauf, dass bei der anstehenden Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Perspektive auf das publizistische Gesamtsystem, vor allem auf den Journalismus, gewahrt werden sollte. Nicht allein der Erhalt, sondern die Stärkung der strukturellen Diversität des publizistischen Medienmarkts sollte seiner Meinung nach ein zentrales Entwicklungs-, Ordnungs- und Regulierungsziel sein. Dem Journalisten Olaf Steenfadt kommt es dabei auch auf eine Korrektur des seiner Meinung nach missverstandenen Begriffs der Vielfalt an. Er plädiert dafür, Medienvielfalt aus einer Gesamtbetrachtung des Marktes heraus zu definieren.

Ellen Nebel

epd medien hat alle Medienkanäle im Blick: Fernsehen, Radio, Presse und Internet. Das renommierte, wöchentlich erscheinende Heft informiert hintergründig über aktuelle Ereignisse und Trends aus den Medienhäusern. Das Heft kann auch digital als pdf abonniert werden. Zusätzlich erhalten die Abonnenten jeden Werktag per Mail einen Newsletter mit aktuellen Medienmeldungen.

Ranking-Aktualisierung und Ausweitung: Die 100 größten Medienkonzerne der Welt für 2022 jetzt abrufbar

19.05.2023 | Nils Berg

Das Ranking der größten Medienkonzerne der Welt für das Jahr 2022 ist ab sofort über die institutseigene Datenbank mediadb.eu abrufbar. Sowohl das Ranking an sich, als auch die dazugehörigen Porträts der einzelnen Medienkonzerne werden jährlich aktualisiert. Eine Besonderheit der diesjährigen Aktualisierung: das Ranking wurde von den weltweiten Top 50 erstmals auf die 100 größten Medienkonzerne ausgeweitet. Die umfangreichen Porträts der neu hinzugekommenen Medienkonzerne werden von der IfM-Redaktion neben dem bereits jetzt vorhandenen Umsatz-Ranking nach und nach eingepflegt.

Das Ranking ist weiterhin von großer Dominanz diverser US-Medienkonzerne geprägt. Wenig überraschend bleibt der US-Mediengigant Alphabet Inc. (Google) im internationalen Vergleich die unangefochtene Nummer 1 – mit einem Gesamtumsatz von mittlerweile 282,836 Mrd. US-Dollar (dies entspricht umgerechnet etwa 268,6 Mrd. Euro). Auf den Plätzen dahinter gab es einen Umschwung. So konnte sich der US-weit größte Anbieter von Kabel-TV, die Comcast Corporation (Rang 2; 121,427 Mrd. US-Dollar bzw. 115,32 Mrd. Euro), an der insbesondere für die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram bekannten Meta Platforms, Inc. (nun Rang 3; 116,609 Mrd. US-Dollar bzw. 110,74 Mrd. Euro) vorbeischieben. Die noch immer kolossale Comcast Corporation war zeitweise sogar der größte Medienkonzern der Welt (2011 – 2015).

Bereits mit einigem Abstand, zumindest gemessen am Gesamtumsatz von 83,745 Mrd. US-Dollar (umgerechnet ca. 79,53 Mrd. Euro), belegt The Walt Disney Company den vierten Rang. Im Vergleich zu 2021 macht der Konzern somit zwei Plätze gut. Die Weltmarke konnte in den vergangen Jahren insbesondere über das DTC-Segment (Direct-to-Consumer) große Zuwächse verzeichnen. Erster nicht US-amerikanischer Konzern des Rankings ist die chinesische Tencent Holdings Ltd., welche einst über die Universal-App WeChat bekannt wurde. Das Unternehmen hat in den vergangenen fünf Jahren einen raketenhaften Aufstieg hingelegt seit 2017 hat sich der Gesamtumsatz mehr als verdoppelt. Dennoch ist dieser 2022 erstmals wieder leicht gesunken. Entsprechend fällt Tencent Holdings vom vierten auf den fünften Rang zurück (554,600 Mrd. RMB Gesamtumsatz, d. h. ca. 78,35 Mrd. Euro).

Auf mediadb.eu kann das gesamte Ranking der 100 weltweit größten Medienkonzerne eingesehen werden. Informationen zur Zusammensetzung des Rankings finden Sie hier.

mediadb.eu wird von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert

SIEBEN WINTER IN TEHERAN gewinnt Roman Brodmann Preis

Stellvertretend für Steffi Niederzoll nahm die verantwortliche WDR-Redakteurin Jutta Krug die Auszeichnung entgegen. ©Fotos: Knut Koobs

Am 27. April 2023 haben das das Haus des Dokumentarfilms und das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik zum zweiten Mal den Roman Brodmann Preis vergeben. In diesem Jahr ging die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung an Steffi Niederzoll für SIEBEN WINTER IN TEHERAN (MADE IN GERMANY Filmproduktion, Produzentin: Melanie Andernach; Gloria Films Production; TS Productions; WDR, Redaktion: Jutta Krug, 2023).

Die Auszeichnung würdigt den politisch und gesellschaftlich relevanten Dokumentarfilm mit besonderer Autorenhandschrift. Insgesamt waren rund 110 Einreichungen dafür eingegangen. Elf Produktionen kamen auf die Shortlist, darunter sieben abendfüllende Filme und eine Doku-Serie.

Stellvertretend für Steffi Niederzoll nahm die verantwortliche WDR-Redakteurin Jutta Krug die Auszeichnung entgegen und verlas die Grußbotschaft der Regisseurin. Diese ist ebenso wie die Roman Brodmann Rede von Alice Agneskirchner im Wortlaut bei dokumentarfilm.info nachzulesen.

Die Preisverleihung war der feierliche Abschluss des Roman Brodmann Kolloquiums. Das diesjährige Motto lautete UNVERZICHTBAR! MEDIENFREIHEIT UND DOKUMENTARFILM.

Roman Brodmann Kolloquium 2023 Unverzichtbar! Medienfreiheit und Dokumentarfilm

Flankiert wurde die Verleihung des Roman Brodmann Preises vom Roman Brodmann Kolloquium. Hier diskutierten Branchenvertreter:innen, Politiker:innen und Medienkritiker:innen sowie -forscher:innen die Potenziale und Bedingungen zeitkritischer Dokumentarfilme und investigativer Recherchen, aber auch Zustand und Zukunft der Medienfreiheit weltweit. Dieses Jahr lag ein Schwerpunkt auf den Herausforderungen unabhängiger Journalist:innen in verschiedenen Kriegs- und Krisenregionen. Dazu widmeten sich Panels der Reformdebatte um den öffentlichen-rechtlichen Rundfunks wie auch den Arbeitsbedingungen von Film- und Medienschaffenden. Das vollständige Programm finden Sie hier.

Nach einer Begrüßung durch Ulrike Becker (HDF) und Dr. Leonard Novy (IfM) und einem Grußwort von Heike Raab eröffnete der israelische Fernsehjournalist und Dokumentarfilmer Itai Anghel das Kolloquium mit einer persönlichen Rede über seine Erfahrungen mit Dreharbeiten in Kriegsgebieten. Seine jüngsten Einsätze liegen nur wenige Monate zurück und führten ihn an die Front des Krieges in der Ukraine. Einige der Protagonisten, die in seiner bisher unveröffentlichten Dokumentation zu sehen waren, aus der er Ausschnitte zeigte, sind mittlerweile ums Leben gekommen. Trotz seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Kriegsjournalist könne er sich davon nicht emotional abgrenzen, erklärte Anghel. Im Gegenteil gehöre es zu seinem Beruf, sich um das Schicksal und die Geschichten der Menschen in Kriegsgebieten zu sorgen: „Mir wurde klar, dass ich mich als Dokumentarfilmer nicht zu sehr auf die Menschen einlassen sollte, die ich filme, weil die Wahrscheinlichkeit ihres Todes vor Ort sehr hoch ist. Diese Einstellung ist jedoch nicht realistisch, denn als Dokumentarfilmer gehen wir an diese Orte und erzählen diese Geschichten, weil uns die Menschen und ihre Erfahrungen am Herzen liegen.“  

Anghels Keynote leitete über zum ersten Panel des Kolloquiums zum Thema „Telling the Story of Media Freedom“.  Zustand und Perspektiven der Medienfreiheit bildeten Leitthema der Diskussion, die sich dem Thema in diesem international und intersektoral besetzten Panel aus unterschiedlichen Blickwinkeln näherte. Das Podium, bestehend aus Itai Anghel, Theresa Breuer (Journalistin, Filmemacherin und Mitbegründerin der Initiative Kabul Luftbrücke), Matt Sarnecki (Journalist und Regisseur „The Killing of a Journalist“) und Dr. Anna Litvinenko (Kommunikationswissenschaftlerin) diskutierten die Überschneidung von Journalismus und Aktivismus mit besonderem Augenmerk auf Sicherheitsaspekten für Journalisten in Konfliktgebieten. Neben den Herausforderungen die, laut Litvinenko, mit neuen Plattformen wie TikTok einhergehen, auf denen schnell Fehlinformationen verbreitet werden, sah z.B. Matt Sarnecki ein Problem darin, dass zu viel Aktivismus die journalistische Objektivität beeinträchtigen könnte. Dabei seien laut Theresa Breuer Fakten ausreichend, um die Meinung der Menschen zu ändern, weshalb ein besonders akribischer Faktencheck und vor Ort zu sein von elementarer Bedeutung sei: „Nothing beats being on the ground and doing research“. Das Panel wurde moderiert von Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen.

Theresa Breuer (Journalistin, Filmemacherin und Mitbegründerin der Initiative Kabul Luftbrücke): „Nothing beats being on the ground and doing research“

Nach einer Mittagspause setzte Sylvie Stephan, stellvertretende Programmdirektorin Arte GEIE, einen Impuls zur europäischen Perspektive öffentlich-rechtlicher Medien, um das folgende Diskussionspanel zum Programmauftrag und dokumentarischen Formen im ÖRR einzuleiten. Hier diskutierten Martina Zöllner (Programmdirektorin, rbb), Andres Veiel (Autor und Regisseur) und Dr. Heike Hupertz (Medienjournalistin). Moderiert wurde das Panel von Steffen Grimberg, Journalist und Vorstandsmitglied des DJV Berlin-JVBB. Im Mittelpunkt des Panels stand die Frage, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner Funktion als unabhängiger Informations- und Bildungsanbieter und der Vielfalt der an ihn gerichteten Erwartungen in Zukunft gerecht werden kann – und welche Rolle dem Dokumentarischen dabei zuteilwird.

Martina Zöllner betonte die Vorteile, die Mediatheken für dokumentarische Formate bieten können. Diese können sich von späten Sendeplätzen und der Konkurrenz mit mainstreamigen Formaten lösen. Obwohl das lineare Prinzip, das eine feste Uhrzeit, Länge und Form beinhaltet, weiterhin besteht, bietet die Möglichkeit des Nicht-Linearen in Mediatheken eine Befreiung für Dokumentarfilme. Dadurch ergeben sich neue Chancen, die von Zielgruppen angenommen werden, die bisher vernachlässigt wurden. Allerdings gibt es bei der ARD-Reform das Problem von kleinen, geclusterten Etats. Dies sei strukturell bedingt, gerade für die ARD und in der Konkurrenz der Plattformen. Zu einer ambivalenten Einschätzung kam Heike Huperts. Es gebe eine Wertschätzung, doch die sei „billig, weil die nicht viel kostet“ – und mit den Mediatheken vermutlich „noch billiger zu haben“. Sie sieht die Gefahr, dass Mediatheken zu einem „Schutzraum, einer „Nische in der Nische“ werden, der Kulturauftrag ins Nonlineare verlagert wird und die „Entscheiderinnen sagen: Wir machen das doch alles!“

V.l.nr.: Andres Veiel (Autor und Regisseur), Dr. Heike Hupertz (Medienjournalistin) und Martina Zöllner (Programmdirektorin, rbb) diskutierten die Frage, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner Funktion als unabhängiger Informations- und Bildungsanbieter gerecht werden kann. Moderiert wurde das Panel von Steffen Grimberg.

„Wie verteidigen wir ein öffentlich-rechtliches System, das für mich weiterhin Alleinstellungscharakter hat und haben muss, weil bestimmte Themen und Formate, z. B. der künstlerische Dokumentarfilm, nur da vorkommen.“, so Andres Veiel. Bei Streamern müsse die „Berechenbarkeit der Erzählung“ gegeben sein, es gebe wenig Risikobereitschaft, die eine Offenheit der Erzählung ermöglichen würde. In Bezug auf den ÖRR gilt für ihn: „Es muss neu gedacht werden, es muss größer gedacht werden. Es gibt einen Auftrag, und der muss umgesetzt werden.“

Nach einer Kaffeepause widmeten sich Kristian Kähler (Sektion Dokumentarfilm, Produzentenallianz), Susanne Binninger (Regisseurin und Ko-Vorsitzende AG DOK), Melanie Andernach (Filmproduzentin und Drehbuchautorin) und Dr. Markus Nievelstein (Geschäftsführer von ARTE Deutschland) unter Moderation von Jenni Zylka (Autorin und Journalistin) Fragen rund um Finanzierung, Fördermöglichkeiten und Verbreitung von Dokumentarfilm. Laut Kristian Kähler bestehe das Hauptproblem nach wie vor darin, dass zu wenig Geld im dokumentarischen Bereich zur Verfügung sei. Diesen „Zustand der regelmäßigen Selbstausbeutung“ aller Beteiligten gelte es zu ändern. „Kinodokumentarfilm muss man sich leisten können“, sagte Susanne Binninger dazu. „Wir wissen, dass die Budgets in Deutschland geringer sind als im europäischen Vergleich. Wir sind in einer unguten Konkurrenz zu anderen Ländern, wo die Filmförderung anders und besser aufgestellt sind.“ Laut Binninger wäre es wünschenswert, wenn die Sender in der Lage wären, einen langen Dokumentarfilm voll zu finanzieren, ohne dass diese automatisch bei den Filmförderungen landen, was wiederum bedeute, dass daraus laut Förderbestimmungen ein Kinodokumentarfilm werden müsse. Die Folge sei, dass sich viele TV-Dokumentarfilme an den Kinokassen „kannibalisieren“ – „Dann werden uns die schlechten Zahlen um die Ohren gehauen.“ Auch Kähler erklärte, hier bestünde dringender Reformbedarf. Es dauere zu lang, bis ein Film durchfinanziert sei. „Wir brauchen mehr Geld im System.“

Im Panel „Realitäten des Dokumentarfilms“ widmeten sich Dr. Markus Nievelstein (Geschäftsführer von ARTE Deutschland), Melanie Andernach (Filmproduzentin und Drehbuchautorin), Susanne Binninger (Regisseurin und Ko-Vorsitzende AG DOK) und Kristian Kähler (Sektion Dokumentarfilm, Produzentenallianz) (v.l.n.r.) unter Moderation von Jenni Zylka den Fragen rund um Finanzierung, Fördermöglichkeiten und Verbreitung von Dokumentarfilm.

Letztendlich sei der Erfolg eines Dokumentarfilms aber nicht nur an wirtschaftlichen Faktoren zu bemessen. Auf die Frage, was einen erfolgreichen Dokumentarfilms ausmache, antwortete Markus Nievelstein: „Unser primärer Erfolg liegt darin, dass wir die von uns ausgewählten Filme an eine breite Öffentlichkeit vermitteln können. Unser Auftrag besteht darin, Menschen mit Kultur in Verbindung zu bringen. Wie gut wir in der Verbreitung dieser Filme sind und wie viele Menschen wir damit erreichen können, ist ein wichtiger Faktor für unseren Erfolg.“

Partner der Veranstaltung waren die Landesvertretung Rheinland-Pfalz, Arte, Reporter ohne Grenzen, die Heinrich-Böll-Stiftung und der DJV Berlin – JVBB.

Einladung zum Roman Brodmann Preis und Kolloquium 2023

„Unverzichtbar! Medienfreiheit und Dokumentarfilm“

Wir laden Sie herzlich ein zur Verleihung des Roman Brodmann Preises für den politischen Dokumentarfilm am 27. April in Berlin.

Der Roman Brodmann Preis wird vom Haus des Dokumentarfilms (HDF) in Kooperation mit dem Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) und der gastgebenden Landesvertretung Rheinland-Pfalz beim Bund vergeben.

Flankiert wird die Preisverleihung von einer eintägigen Konferenz. Hier diskutieren Branchenvertreter:innen, Politiker:innen und Medienkritiker:innen sowie -forscher:innen die Potenziale und Bedingungen zeitkritischer Dokumentarfilme und investigativer Recherchen, aber auch Zustand und Zukunft der Medienfreiheit weltweit. Dieses Jahr wird ein Schwerpunkt auf der Lage von unabhängigen Medienschaffenden im Iran liegen, aber auch die Perspektive öffentlichen-rechtlichen Rundfunks in Deutschland wie auch die Arbeitsbedingungen von Film- und Medienschaffenden werden bei den Diskussionen eine Rolle spielen. 

Zur Pressemeldung und den Nominierungen gelangen Sie hier.

Eine Teilnahme ist nach voriger Anmeldung möglich. Bitte registrieren Sie sich per E-Mail beim Haus des Dokumentarfilms: hdf@hdf.de.

Programm:

11:00 – 11:05: Eröffnung

Ulrike Becker, Geschäftsführerin, Haus des Dokumentarfilms

Dr. Leonard Novy, Direktor, Institut für Medien- und Kommunikationspolitik

11:05 – 11:15: Grußwort

Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien

11:15 – 11:35: Reporting on the unimaginable

Key note: Itai Anghel, israelischer Fernsehjournalist und Dokumentarfilmer („Alone in Donbas“, 2023)

11:35 – 13:00: Telling the Story of Media Freedom

Itai Anghel, israelischer Fernsehjournalist und Dokumentarfilmer

Theresa Breuer, Journalistin, Filmemacherin und Mitbegründerin der Initiative Kabul Luftbrücke

Matt Sarnecki, Journalist und Regisseur (The Killing of a Journalist)

Dr. Anna Litvinenko, Kommunikationswissenschaftlerin, Freie Universität Berlin

Moderation: Christian Mihr, Reporter ohne Grenzen

(in Kooperation mit Reporter ohne Grenzen)

13:00 – 14:15: Mittagessen

14:15 – 14:30  Impuls: Öffentlich-rechtliche Medien – Die europäische Perspektive

Sylvie Stephan, stellvertretende Programmdirektorin Arte GEIE

14:30 – 15:30: „Oder kann das weg?“ Programmauftrag und dokumentarische Formen im ÖRR

Martina Zöllner, Programmdirektorin, rbb (tbc)

Andres Veiel, Autor und Regisseur

Dr. Heike Hupertz, Journalistin

Moderation: Steffen Grimberg, Journalist und Vorstandsmitglied des DJV Berlin-JVBB

15:30 – 16:00: Kaffee

16:00 – 17:00: Realitäten des Dokumentarfilms: Finanzierung, Verbreitung und Förderung

Björn Böhning, CEO, Produzentenallianz

Susanne Binninger, Ko-Vorsitzende AG DOK

Dr. Melanie Andernach, Filmproduzentin und Drehbuchautorin

Dr. Markus Nievelstein, Geschäftsführer, ARTE Deutschland

Moderation: Jenni Zylka

17:00 – 18:00: Umbaupause und Einlass Preisverleihung

18:00 – 18:05: Begrüßung Preisverleihung

Ulrike Becker, Leiterin Haus des Dokumentarfilms · Europäisches Medienforum Stuttgart e.V.
Dr. Leonard Novy, Direktor Institut für Medien- und Kommunikationspolitik

18:05 – 18:15: Brodmann-Rede

Alice Agneskirchner, Drehbuchautorin und Regisseurin

18:15 – 18:50: Preisvergabe durch die Jury und Laudatio

David Bernet, Regisseur und AG DOK Ko-Vorsitzender
Bettina Böhler, Editorin und Regisseurin
Elwira Niewiera, Autorin und Regisseurin

18:60 – 20:30: Screening Preisträger-Film

20:30 – 20:45: Filmgespräch

20:45 – 22:00: Ausklang bei Imbiss und Getränken

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit Arte, der Heinrich Böll Stiftung, Reporter ohne Grenzen und dem Deutschen Journalisten-Verband Berlin statt.