Schlagwort: politische kommunikation

„Resilienz ist eine Zukunftsfrage“

Interview mit Leonard Novy

Fake News, Desinformation, Desorientierung: Ist es um die Zukunft der Medien wirklich so schlecht bestellt? Unter der Überschrift „Resilienz ist eine Zukunftsfrage“ veröffentlichte die Zeitschrift „Internationale Politik“ (IP) ein Interview mit IfM-Direktor Leonard Novy zum Umgang mit Fake News und der Zukunft der europäischen Öffentlichkeit.

Die „Konjunktur von Fake News und die Krise des Journalismus auf beiden Seiten des Atlantiks“ würden sich wechselseitig bedingen, so Novy. So hätten viele Medienhäuser mit einem primär auf Klicks im Netz ausgerichteten Journalismus und Einsparungen selbst die Entwertung von Fakten vorangetrieben, statt frühzeitig Antworten auf die Frage zu suchen, wie ein „professionellen wie ethischen Standards verpflichteter Journalismus seinen Funktionen für die Demokratie auch unter digitalen Vorzeichen gerecht werden“ könne. Mit „Business as usual“ ließe sich digital kaum Geld verdienen. „Finanzierungsmodelle und Geschäftsmodelle dürften vielfältiger werden. Stiftungen werden eine größere Rolle spielen, aber auch staatliche Instrumente wie die Mehrwertsteuer oder die Anerkennung des Journalismus als gemeinnützig, was wiederum Raum schaffen würde für mehr Förderung aus der Zivilgesellschaft. Und irgendwann wird man sich auch nochmal grundsätzlich mit der Neudefinition des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Medien beschäftigen müssen – und zwar losgelöst von der bestehenden Rundfunkordnung und idealerweise europäisch.“

Die Sonderausgabe der von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik herausgegebenen Zeitschrift beschäftigt sich unter dem Titel „Digitales Europa 2030“ mit einem von der Alfred Herrhausen Gesellschaft im Frühjahr 2020 durchgeführten Szenarienworkshop gleichen Namens (Projektseite). Das Gespräch mit Leonard Novy sowie alle anderen Beiträge des Sonderhefts – unter anderem von Thorsten Thiel, Daniel Voelsen, Elisabeth von Hammerstein, Claudia Huber, Julian Jaursch und Georg Diez –  sind Open Access auf der Seite der IP hinterlegt.

„A very stable genius“? Veranstaltung zu Twitter als Medium politischer Kommunikation mit Sawsan Chebli, Ruprecht Polenz u.v.a.

Die Wahl des „Twitter“-Präsidenten Donald J. Trump hat wohl auch die letzten Zweifler davon überzeugt, dass die Politik der Sozialen Medien keinen Randbereich des Politischen mehr darstellt. Eng damit verwoben ist eine Medienrevolution, in der alte Gatekeeper entmachtet werden und neue Akteure, seien es grassroots activists oder auch neue Player wie Breitbart.com, nach Deutungsmacht streben. Weit entfernt davon, einfach „verrückt“ zu sein, wie es Kommentare manchmal andeuten, nutzt der US-Präsident das Medium durchaus strategisch und hinsichtlich des Agenda-Settings mit einigem Erfolg, so lautete eine Schlussfolgerung der Studie „Twitter Diplomacy“, die ein Autorenteam rund um IfM-Fellow Dr. Jasmin Siri (LMU München) am 22. November im ProjektZentrum Berlin der Stiftung Mercator vorstellte. Im Anschluss an die Studienvorstellung durch Siri und Dr. Martin Koch (Universität Bielefeld) diskutierten Vertreter/innen aus Politik, Wissenschaft und Medien unter der Moderation von IfM-Direktor Leonard Novy über die politische und publizistische Rolle von Twitter in einer veränderten Kommunikationsumwelt. Für diese Runde lieferten die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli, der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz und der Autor Johannes Hilje einführende Impulse.

Folgende Ergebnisse hat die von der Stiftung Mercator geförderte Studie, die sich schwerpunktmäßig mit Reaktionen von EU-Politikern auf die Twitterkommunikation des US-Präsidenten Donald J. Trump beschäftigt, unter anderem herausgearbeitet:

1. Twitter macht diplomatische Kommunikation für alle sichtbar. Wissen über transatlantische Diplomatie und ihre Themen war lange Zeit eingeweihten politischen Playern und Journalist/innen vorbehalten. Das ändert sich, indem relevante Themen und Konfliktstrukturen für alle Mitlesenden sichtbar werden. Dies wird politikwissenschaftlich zum Beispiel unter dem Stichwort der „public diplomacy“ diskutiert.

2. Die Twitter-Kommunikation des US-Präsidenten ist nicht „verrückt“, erratisch oder in sich unlogisch. Sie verfolgt eine klare Agenda. Gemäß der Idee „America first“ und der politischen Polarisierung richtet sich Trumps Kommunikation in erster Linie an seine eigene Gefolgschaft. Innenpolitische Erwägungen sind folgerichtig relevanter als außenpolitische oder diplomatische Ziele.

3. Die Reaktion von Playern aus der Europäischen Union auf die Trump-Tweets ist ganz unterschiedlich. Während die Mehrheit der untersuchten Accounts es vermeidet, den US-Präsidenten direkt zu adressieren und im Ton sachlich und diplomatisch ist (z.B. Federica Mogherini), formulieren andere kämpferische Kritik (z.B. Donald Tusk). Doch gerade bei der ersten Gruppe finden sich „indirekte“ Kommentare, die für Kenner/innen der transatlantischen Beziehungen als Kommentar zu Trumps Tweets gelesen werden können.

4. Trumps Tweets triggern positive Erzählungen der EU und des Zusammenhalts. Als eine Art nicht beabsichtigter Folge der Trump-Tweets zeigt sich, wie unterschiedliche Akteure in der EU durch Angriffe zusammenrücken und Angriffen, höhnischen Kommentaren und Kritiken positive Erzählungen Europas entgegensetzen. Ungewollt tragen die Trump-Tweets also zu einer stärkeren Identitätsbildung der überzeugten Europäer bei.

​5. Bildet sich eine neue transatlantische Brücke der Populisten?

Während die überzeugten Europäer zusammenrücken, gibt es natürlich auch innerhalb der EU Politiker/innen, die den Trump-Policies sehr positiv gegenüberstehen. So lässt sich zum Beispiel beobachten, dass die Brexiteers Trump für sich vereinnahmen und vice versa. Es entstehen gemeinsame Narrative und die Narrative der jeweils anderen werden auch übernommen.

Die vollständige Studie „TWITTER DIPLOMACY. Außen- und Sicherheitspolitik in Zeiten von Social Media“ wird in den nächsten Wochen auf der Webseite des IfM abrufbar sein.

Autorenteam: Jasmin Siri, Frederik Zimmermann, Martin Koch, Madeleine Myatt, Tanja Jaschkowitz